Ist Purpose sinnlos?

Ist Purpose sinnlos? Ohne Beweis kein Mehrwert.

Mit allen Mitteln auffallen – das wollen viele Arbeitgeber, wenn es darum geht, neue Talente zu gewinnen und bestehende Mitarbeiter:innen zu binden. Welche Rolle dabei der Corporate Purpose spielt und wie er im Kontext des Employer Branding zu verstehen ist, fassen wir in diesem Beitrag zusammen.

Nur ein Hype? Die Relevanz von Purpose heute.

„Purpose“ – das ist ein mittlerweile inflationär verwendeter Begriff. Auf Unternehmenswebsites, in Talk-Shows, auf LinkedIn und besonders in Management-Kreisen wird das Buzzword zum Leitthema. Das ist kein Wunder, denn der stetig anhaltende Krisenmodus mit Klimawandel und politischer Entwicklungen setzt Unternehmen zunehmend unter Druck, einen Beitrag für Gesellschaft und Umwelt zu leisten.

Mit Blick auf zahlreiche Studien wird deutlich, dass Unternehmen auch als Arbeitgeber Antworten auf die großen Fragen liefern müssen. Insbesondere die jüngere Zielgruppe ist dafür bekannt, dass sie sich ihren Arbeitgeber nach dem Sinn und Zweck aussucht, den sich das Unternehmen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Herausforderungen auf die Fahne schreibt. Auch bei erfahrenen Arbeitnehmer:innen lässt sich eine deutliche Tendenz feststellen: weg von reiner Lohnarbeit, hin zu einem Job mit Sinn.

Auch wenn das Thema Purpose in der Community-Diskussion auf LinkedIn und Co. gefühlt gleichberechtigt zwischen Trend-Themen stattfindet handelt es sich dabei nicht um einen Hype. Vielmehr haben Arbeitgeber verstanden, dass sie sich angesichts der neuen Herausforderungen ernsthaft mit dieser Thematik beschäftigen müssen.

Der Zugzwang, unter dem Unternehmen stehen, wird durch den demografischen Wandel und den daraus entstandenen Fachkräftemangel verstärkt. Talentierte Kandidat:innen auf Jobsuche werden künftig deutlich mehr Auswahl haben als bisher schon. Bei der Suche nach dem richtigen Arbeitergeber kann Purpose eine Orientierungshilfe sein, denn mit ihm finden Kandidat:innen heraus, ob das Unternehmen im Einklang mit den persönlichen Werten steht.

Was ist Purpose?

Purpose ist der englische Begriff für „Sinn“ beziehungsweise „Zweck“ – er definiert also die Daseinsberechtigung eines Unternehmens. Im Fokus steht die wechselseitige Abhängigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft: Was tun wir – und warum tun wir das? Die Existenz des Unternehmens wird durch den Mehrwert, den es in sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereichen erzeugt, legitimiert. Es handelt sich dabei um ein langfristiges Versprechen, das im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette des Unternehmens steht.

Purpose geht über finanzielle oder materielle Werte hinaus und zeigt die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns auf. Er stellt eine Verbindung zwischen den individuellen Aufgaben der Mitarbeitenden und dem übergeordneten Ziel des Unternehmens her, was zu einem tiefen Gefühl von Bedeutung und Erfüllung führt. Die Mitarbeiter:innen können sich im besten Fall mit dem Purpose des Unternehmens identifizieren und verstehen, wie ihre täglichen Aufgaben dazu beitragen, ein gesellschaftlich relevantes Ziel zu erreichen.

Purpose als Erfolgsfaktor? Keine Garantie.

Purpose-getriebene Unternehmen haben hinreichend bewiesen, dass sie anderen Unternehmen gegenüber einen Vorsprung haben: Ein ernstgemeinter und gelebter Purpose steigert unter anderem die Produktivität, das Engagement und die Bindung der Mitarbeiter:innen um ein Vielfaches. Die Arbeit wird nicht zu einer Pflicht, sondern zu einem Beitrag zu etwas Größerem, was intrinsisch motivierend ist und die Zufriedenheit steigert.

Mit dem Ziel, einen glaubhaften Purpose zu finden und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, setzen viele Unternehmen interne Workshops um. Der Ansatz, den Purpose gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen zu entwickeln, ist ein erster und richtiger Schritt, aber die Realität zeigt: Manchen gelingt es, den meisten nicht. Der Globeone Purpose Readiness Index (PRI) aus dem Jahr 2022, eine der größten Vermessungen von Glaubwürdigkeit deutscher Unternehmen hinsichtlich ihres Sinns und positiven Beitrags, bestätigt diese Erkenntnis: „[...] nur knapp ein Zehntel der [rund 130] untersuchten Unternehmen und Institutionen verfügt über die geeignete Ausgangsbasis, in diesem volatilen Umfeld voll und ganz mit einem glaubwürdigen Purpose zu überzeugen.“

Dass ein stark kommunizierter Purpose seine Schattenseite hat, zeigt unter anderem der Meaningful Brands Global Report 2023 von Havas: 73 % der Befragten sind der Meinung, dass Marken nur vorgeben, einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, während sie in der Realität einzig und allein auf die Maximierung ihres Gewinns aus sind. Kurzfristiger Aktionismus und beeindruckende Marketing-Maßnahmen, die den Eindruck entstehen lassen, dass Unternehmen Stellung zu gesellschaftlich relevanten Themen beziehen, bei denen sich diese Haltung jedoch nicht in der Organisation widerspiegelt, werden schnell von Konsument:innen und (potenziellen) Mitarbeiter:innen entlarvt.

Keine Beweisführung? Kein Mehrwert.

Ähnlich wie im Employer Branding ist auch beim Purpose Authentizität die wichtigste Währung. Purpose, der nicht in der Wertschöpfungskette und in strategischen Entscheidungen des Unternehmens integriert und auch nicht durch die Kultur erlebbar ist, erzeugt keinen Mehrwert. Ganz nach dem Motto „Lügen haben kurze Beine“ vergessen viele Arbeitergeber, dass potenzielle Mitarbeitende oft nur einen Klick von der Wahrheit entfernt sind. Bewertungsportale wie kununu und glassdoor bieten ausreichend Raum für ungeschönte Wahrheiten.

Purpose erzeugt in diesem Fall den umgekehrten Effekt: schlechte Reputation, rückläufige Bewerber:innen-Zahlen und steigende Abbruchquoten im Recruiting-Prozess. Mit dem Blick nach innen machen sich gleichermaßen negative Auswirkungen auf die Motivation, das Arbeitsklima und die Bindungsbereitschaft der Mitarbeiter:innen bemerkbar. Als Aushängeschild des Unternehmens sind sie die ersten, die eine Schieflage zwischen Kommunikation und Realität wahrnehmen. Um einen Purpose glaubhaft kommunizieren zu können, ist es nicht erforderlich, dass das Unternehmen zu Non-Profit-Organisationen gehört. Vielmehr geht es darum, die Thematik ernsthaft anzugehen und diese in allen Bereichen zu verankern.

Purpose als Differenziator? Fehlanzeige.

Losgelöst von der Anforderung zur Glaubwürdigkeit, stellt sich in der Debatte rund um den Purpose die Frage, inwiefern er als Differenziator zu anderen Arbeitgebern eingesetzt werden kann. Im Vergleich einiger Unternehmen wird deutlich, dass die meisten Purpose-Statements keinen signifikanten Unterschied aufweisen. Hier einmal drei Beispiele:

„Unser Zweck ist es, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem wir innovative Lösungen entwickeln, die das Leben der Menschen verbessern.“

„Unser Ziel ist es, durch kreative Lösungen und innovative Produkte einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten und das Leben der Menschen zu bereichern.“

„Unser Zweck ist es, durch kontinuierliche Innovation und soziales Verantwortungsbewusstsein eine nachhaltige Zukunft zu gestalten und das Leben der Menschen positiv zu beeinflussen.“

Obwohl die Formulierungen variieren, teilen alle drei Aussagen dieselbe Kernbotschaft: Sie unterstreichen die Absicht des Unternehmens, durch Innovation, soziales Engagement und einen positiven Einfluss auf die Welt, das Leben der Menschen zu verbessern. Ein Purpose reicht allein nicht aus, um ein vollständiges Differenzierungsmerkmal zu schaffen und damit als Arbeitgeber aus der Masse herauszustechen.

Die Lösung? Employer Branding und Purpose.

Während Purpose die Frage nach dem „Warum“ einer Organisation beantwortet, bezieht sich das Employer Branding auf das „Wie“ und definiert die langfristige Strategie zur Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität. Es umfasst sämtliche Maßnahmen, die zur Anziehung neuer und zur Bindung bestehender Talente dienen. Im Employer Branding geht es darum, ein positives Image als Arbeitgeber aufzubauen und zu kommunizieren, was das Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitsplatz macht. Dazu gehören Faktoren wie Unternehmenskultur, Arbeitsinhalt, Entwicklungsmöglichkeiten oder flexible Arbeitszeitgestaltung. Das Aufgabengebiet des Employer Brandings reicht damit weit über das „Warum“ hinaus.

Die Attraktivität eines Arbeitgebers und damit das Alleinstellungsmerkmal sollte nicht allein von den Werten und dem sozialen, ökologischen und ökonomischen Engagement abhängen. Work-Life-Balance, Weiterentwicklungsangebote, flexible Arbeitszeitgestaltung und das Image des Arbeitgebers bilden gleichermaßen einen entscheidenden Anteil bei der Selektion. Denn in einer immer komplexer werdenden Welt spielt neben dem Sinn und Zweck der Arbeit die Frage, ob der Job zum eigenen Leben passt, eine entscheidende Rolle. Sich nur auf den eigenen Purpose als Arbeitgeber zu berufen, reicht nicht aus.

Um eine konsistente Botschaft zu kommunizieren, dürfen Purpose und Employer Branding nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Purpose muss als fester Bestandteil in die Arbeitgeberpositionierung integriert werden und in der gesamten Arbeitgeberkommunikation mitschwingen. Die glaubwürdige und einzigartige Positionierung eines Unternehmens als Arbeitergeber entsteht erst, wenn Purpose und Employer Branding ganzheitlich gedacht werden, aufeinander einzahlen und in Kombination auftreten. Gelingt dies, werden Arbeitgeber einen erheblichen Effekt auf die Weiterempfehlungsquote wahrnehmen und das Unternehmen entwickelt sich kontinuierlich zum „Employer-of-Choice“.

#lessonslearned

Ideenmonster
  • Authenticity first! Wer keinen tief verwurzelten und echten Purpose hat, sollte lieber keinen kommunizieren. Zu schnell werden Halbwahrheiten aufgedeckt und können für große Reputationsschäden sorgen. Einen signifikanten (wirtschaftlichen) Mehrwert erzielt ein Purpose nur dann, wenn er real ist.
  • Purpose ≠ Employer Branding! Purpose befindet sich auf einer übergeordneten Ebene und ersetzt nicht den Aufgabenbereich, den ein Unternehmen in der HR-Kommunikation zu leisten hat. Vielmehr ist er die Begründung, warum Talente im Unternehmen arbeiten. Beide Disziplinen zahlen auf das Ziel ein, Identifikation zu stiften.
  • Purpose ist kein Differenzierungsfaktor! Zumindest nicht allein. Nur in Kombination mit Employer Branding wird die ganze Facette und damit die Einzigartigkeit des Arbeitgebers sichtbar. Neben den Werten, die das Unternehmen vertritt, sind Faktoren wie Arbeitszeitgestaltung, Benefits, Karrieremöglichkeiten und Weiterbildungsangebote ebenso relevant.

Über uns.

YeaHR! hilft, (internationale) Arbeit­geber­marken zum Strahlen zu bringen, schwierige Recruiting-Heraus­forde­rungen zu lösen und intern Kommunikation und Change voranzutreiben. Dabei ist uns (fast) keine Heraus­forderung zu groß. Deswegen sagen wir: Challenge accepted!