Hochleistung beginnt mit Vertrauen – nicht mit Druck
Viele Unternehmen glauben noch immer, Hochleistung entstehe durch Druck, Kontrolle und Tempo. Doch wer nur auf kurzfristige Ergebnisse setzt, riskiert genau das Gegenteil: sinkende Motivation, schwindendes Vertrauen und hohe Kosten. Und über kurz oder lang gefährdet eine Druck- oder Misstrauenskultur auch die Arbeitgeberattraktivität. Höchste Zeit für ein anderes Verständnis von Performance.
Das Missverständnis - Warum wir glauben, Hochleistung brauche Druck.
Montagmorgen, 8:45 Uhr. Das Führungsteam eines mittelständischen Unternehmens erklärt der Belegschaft: Wir müssen uns mehr anstrengen, daher haben wir die Ziele für dieses Quartal noch einmal angehoben. Keiner widerspricht. Der CFO spricht von „Ambition“, die HR-Leitung von „Commitment“. Doch in der Stille nach dem Meeting hört man das Klicken von Teams-Nachrichten, mit denen sich die Mitarbeitenden über die neue Zielvorgabe austauschen: zynisch, erschöpft, distanziert.
Diese Szene steht sinnbildlich für einen weit verbreiteten Irrtum: den Glauben, Hochleistung entstehe durch Druck. Doch Druck schafft keine Performance - er erzeugt Angst. Angst, die Fehler versteckt, Innovation hemmt und Vertrauen untergräbt. Der Preis: sinkende Qualität, wachsende Fluktuation und verlorenes Engagement.
Viele Organisationen verwechseln Tempo mit Fortschritt. Sie treiben Menschen zu immer mehr Output, statt Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Verantwortung, Klarheit und gegenseitiges Vertrauen Leistung überhaupt erst möglich machen. Denn wahre Hochleistung entsteht dort, wo Menschen sich sicher fühlen, mutig zu handeln - nicht dort, wo sie ständig liefern müssen, um dazuzugehören.
Dieses Missverständnis ist tief in unserer Wirtschaft verankert. Seine Wurzeln liegen im Taylorismus - Arbeit als Maschine, Menschen als Zahnräder. Bis heute prägt dieses Denken viele Führungssysteme: Quartalsziele, Overperformance, Kontrolllogik. Der Mythos hält sich, weil er kurzfristig tatsächlich wirkt - Druck erzeugt Bewegung. Aber er zerstört langfristig genau das, was Unternehmen brauchen: Vertrauen, Kreativität, nachhaltige Motivation.
Die Forschung ist eindeutig: Wenn Mitarbeitende sich kontrolliert statt befähigt fühlen, sinkt ihr Engagement dramatisch. Laut Gallup sind weltweit nur noch 23% der Beschäftigten engagiert, während 62% innerlich gekündigt haben oder Dienst nach Vorschrift leisten. Besonders fatal: Führungskräfte treiben rund 70% der Varianz in der Teamleistung [1]. Mit anderen Worten: Hochleistung steht und fällt mit der Qualität der Führung.
Brené Brown beschreibt diesen Mechanismus als „Schamkultur statt Verantwortungskultur“. Wo Angst herrscht, entsteht Anpassung statt Ownership. Fehler werden versteckt, Konflikte vermieden, Energie geht verloren. Patrick Lencioni nennt dies das erste große Hindernis jeder Hochleistung: den Verlust von Vertrauen. Und ohne Vertrauen bricht jedes Team (und damit jede Performance) in sich zusammen - egal, wie ambitioniert die Ziele sind.
Warum Hochleistung anders gedacht werden muss.
Wer glaubt, Druck steigere Leistung, verwechselt Anspannung mit Fokus. Hochleistung ist kein Zustand permanenter Überforderung, sondern das Ergebnis von Klarheit, Vertrauen und Verantwortung. Sie entsteht, wenn Menschen wissen, wofür sie leisten - und Systeme und das Arbeitsumfeld sie dabei unterstützen.
Brené Brown spricht von „klaren Erwartungen als Akt der Freundlichkeit“. Denn Klarheit reduziert Angst. Und Angst, so zeigen neurobiologische Studien, senkt die Fähigkeit zu komplexem Denken und Lernen. Patrick Lencioni wiederum beschreibt Vertrauen und Konfliktfähigkeit als Voraussetzungen für Commitment und Accountability. Ohne sie bleibt jedes Ziel ein Lippenbekenntnis.
Die Datenlage untermauert das: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit sind innovativer, produktiver und weniger fehleranfällig. In einer Meta-Analyse von Gallup zeigte sich, dass Teams im obersten Engagement-Quartil 23% profitabler und 18% produktiver sind als solche im untersten [1]. Vertrauen, Sinn und Verantwortung sind damit nicht „nice to have“, sondern ökonomisch messbare Faktoren.
Das Paradoxe: Die Unternehmen, die Performance am härtesten fordern, schaffen oft unbewusst die Bedingungen, die sie verhindern. Wer Ergebnisse maximieren will, aber Verantwortung minimiert, sabotiert sein eigenes System. Hochleistung muss deshalb als Organisationsprinzip verstanden werden, nicht als individuelle Tugend. Eine solche Unternehmenskultur wird zum eindeutigen Wettbewerbsvorteil - für Performance und Positionierung zugleich. Davon profitiert jede Arbeitgebermarke. und Unternehmen, die psychologische Sicherheit, Vertrauen und Klarheit leben, sollten diese Haltung nach innen an ihre Mitarbeitenden und nach außen an potenzielle Bewerbende senden.
Vier Säulen einer Hochleistungskultur.
Eine vertrauensbasierte Hochleistungskultur ist kein Wohlfühlprojekt. Sie ist strukturiert, klar, anspruchsvoll - und menschlich. Sie kombiniert Ergebnisorientierung mit psychologischer Sicherheit. Ihre Architektur basiert auf vier Säulen:
Diese vier Elemente ergeben zusammen eine Kultur, die sowohl effizient als auch resilient ist. Sie ermöglicht Geschwindigkeit ohne Hektik, Verantwortung ohne Schuld, Ergebnisorientierung ohne Angst. Und sie prägt, wie ein Unternehmen wahrgenommen wird. Eine Hochleistungskultur ist somit immer auch Employer-Branding-Arbeit, weil sie zeigt, wofür ein Arbeitgeber steht, und weil in einer starken Kultur die Mitarbeitenden zu Botschafter:innen für das Unternehmen werden.
Wie Arbeitgeber Hochleistung sichtbarer machen.
Eine nachhaltige Hochleistungskultur ist keine HR-Initiative, sondern eine gemeinsame Führungsaufgabe.
Von Mitarbeitenden verlangt sie Eigenverantwortung. Hochleistung beginnt dort, wo Menschen sagen: „Ich übernehme Verantwortung - auch wenn’s unbequem ist.“ Das bedeutet, Rückmeldungen einzufordern, Entscheidungen mitzutragen und Konflikte konstruktiv auszutragen.
Von Führungskräften verlangt sie Haltung und Konsistenz. Die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, Erwartungen zu klären, Sicherheit zu schaffen. Brown nennt das „courage over comfort“ - den Mut, unangenehme Gespräche zu führen, anstatt sich in Harmonie zu flüchten. Führungskräfte müssen lernen, Klarheit zu geben, bevor sie Motivation erwarten. Wenn Führungskräfte eine solche Vorbildfunktion wirklich leben, prägen sie damit maßgeblich die Wahrnehmung (und Attraktivität!) des Arbeitgebers.
Von Geschäftsführungen verlangt sie Systemdenken. Hochleistung ist kein Zufall, sondern ein Ergebnis guter Architektur. Wer Leistung will, muss Ressourcen, Strukturen und Kultur konsequent aufeinander abstimmen. Das heißt: Prioritäten setzen, Abbrüche zulassen, Verantwortlichkeiten definieren. Unternehmen, die das tun, senken laut Harvard Business Review ihre Fehlentscheidungsrate um bis zu 25%.
Von HR verlangt sie Mut zur Gestaltung. HR kann Hochleistung ermöglichen, indem sie die Sprache und die Routinen der Organisation verändert: Feedbackzyklen, Entscheidungsprozesse, Recruiting-Kriterien. Eine HR-Leitung, die mit am Tisch sitzt, wenn Prioritäten festgelegt werden, kann Kultur als wirtschaftlichen Faktor sichtbar machen.
Führungskräfte, Geschäftsführung und HR müssen also eng zusammenarbeiten, um die Kultur intern zu festigen und nach außen sichtbar zu machen - über die zahlreichen Touchpoints entlang der Candidate Experience und Employee Experience hinweg. Denn wer in der externen Arbeitgeberkommunikation von Vertrauen und Verantwortung spricht, muss das intern auch konsequent umsetzen, um glaubwürdig zu bleiben.
Fazit.
Hochleistung entsteht dort, wo Vertrauen und Verantwortung sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig befeuern. Unternehmen, die das verstanden haben, wachsen nicht schneller, weil sie härter arbeiten - sondern weil sie intelligenter führen.
Nicht Kontrolle, sondern Klarheit schafft Orientierung.
Nicht Druck, sondern Dialog erzeugt Fokus.
Nicht Angst, sondern Verantwortung führt zu messbaren Ergebnissen.
Jede Firma erhält die Kultur, die sie verdient. Die Meßlatte, die Führungskräfte und Geschäftsführer anlegen (und vorleben!), entscheidet maßgeblich darüber, welche Ergebnisse ein Unternehmen erzielt. Oder, wie Brené Brown es formuliert: „Wir können keine Kultur aufbauen, die Mut verlangt, aber Angst belohnt.“
Die Zukunft der Hochleistung liegt nicht im „Mehr“, sondern im „Besser“ - in Organisationen, die erkennen, dass wirtschaftlicher Erfolg und menschliche Reife kein Paradox, sondern zwei Seiten derselben Medaille sind.
[1] Gallup Meta-Analyse: The Relationship Between Engagement and Organizational Performance, 2023.
Über die Autorin.
Paulina von Mirbach-Benz ist Mitgründerin der Culture Code Foundation, einer Boutique-Beratung spezialisiert auf kulturelle Transformation und Führungskultur. Mit über zwölf Jahren Führungserfahrung von Teams bis zu fünfzig Personen begleitet sie Organisationen auf dem Weg zu einer Leistungskultur, die Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit verbindet.
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